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Persönlichkeitsrecht - Können trotz des Eingriffs in die Privatsphäre der Menschen illegal erlangte Videoaufnahmen rechtsgültig als Beweismittel in einem Zivilprozess verwendet werden ?

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​​veröffentlicht am X. Monat 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Rechtfertigt der Zweck die Mittel? Ist es gerechtfertigt, dass unrechtmäßig erlangte Beweise für zulässig erklärt werden, um eine illegale Handlung zur Beweislast zu bringen? Kann insbesondere eine Video- (oder Audio-) Aufnahme, die das Bild (oder die Stimme) von Personen ohne vorherige Information oder sogar ohne deren Zustimmung – d.h. illegal - aufgenommen hat, dennoch als Beweismittel für illegale Handlungen der gefilmten (oder aufgenommenen) Person dienen?

alte Kamera auf dem grauen Hintergrund


Das Recht auf Bildaufnahmen von Personen und deren Nutzung, denn darum geht es hierbei, ist ein äußerst sensibles Thema, das immer wieder heiß diskutiert wird.


In Frankreich ist das Persönlichkeitsrecht gut etabliert und beruht auf dem Grundrecht auf Privatsphäre gemäß Artikel 9 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dennoch erfährt es regelmäßig neue Wendungen in Form von Gerichtsverfahren. Darüber hinaus ist das Persönlichkeitsrecht, wie die DSGVO in Erinnerung ruft, auch ein individuelles Eigentum, das durch die EU-Verordnung geschützt ist.


Vor einiger Zeit haben wir das Urteil der Cour de Cassation vom 2. Juni 2021 kommentiert, in welchem das französische Obergericht eine Position bekräftigte, die auf europäischer Ebene vom EGMR übernommen worden war, nämlich dass das Image einer Person nicht nur gegen seine öffentliche Verbreitung geschützt ist, sondern auch ab dem Zeitpunkt seiner Aufnahme, d.h. dass diese Aufnahme in der Regel die vorherige Zustimmung oder Information der gefilmten Person erfordert. Eine zufriedenstellende Entscheidung, da jeder schon einmal erlebt hat, in welcher Form sich Gewalt auswirken kann, wenn man im Zeitalter der allgegenwärtigen Bildschirmtechnologie gegen seinen Willen gefilmt wird, sei es in der Öffentlichkeit oder privat.


Seit einigen Monaten und zuletzt am 14. Februar 2024 haben mehrere Urteile des Kassationsgerichtshofs dem Persönlichkeitsrecht einen weiteren Meilenstein verliehen: Kann ein illegal erlangtes Bild dennoch als zulässiger und zivilrechtlich relevanter Beweis für eine rechtswidrige Handlung angesehen werden?


Der deutsche Film "La Salle des Profs", der im März 2024 in die Kinos kam, thematisiert ebenfalls diesen besonderen Aspekt des Persönlichkeitsrechts: Eine Lehrerin beschließt, ihr Lehrerzimmer über die Kamera ihres eingeschalteten Computers unauffällig zu filmen, um den Verursacher wiederholter Diebstähle zu identifizieren. Die Spannung steigt, als Lehrer und Schüler erfahren, dass sie ohne ihre vorherige Erlaubnis gefilmt wurden, obwohl die Aufnahmen im Nachhinein eindeutig der Wahrheitsfindung dienten.

  1. Ein radikaler Wandel in der zivilrechtlichen Rechtsprechung von der Abweisung der Beweisvorlage bis zu seiner bedingten Zulässigkeit.

 

Anders als in strafrechtlichen Fällen werden in zivilrechtlichen Verfahren unlauter erlangte Beweise üblicherweise als unzulässig betrachtet, da der Kassationshof dem Grundsatz der lauteren Beweisführung (festgelegt durch ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 2011) und dem Schutz der Privatsphäre gegenüber der Wirksamkeit der Beweisführung Vorrang einräumt.


Diese Auffassung hat sich jedoch in den letzten Jahren weiterentwickelt...

 

Nach einigen übereinstimmenden Entscheidungen über das allgemeine Beweisrecht während der letzten Jahre haben mehrere Urteile im Jahr 2023 den Grundsatz der Rechtsprechung in Zivil- und insbesondere in Arbeitsgerichtsverfahren aufgehoben, wonach unberechtigt erlangte Video- oder Tonaufnahmen zum Nachweis von unerlaubten Handlungen unzulässig sind.


Am 8. März 2023 entschied das Kassationsgericht in zwei Urteilen über Entlassungen wegen Fehlverhaltens, die auf Aufzeichnungen einer Videoüberwachung beruhten, in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass unrechtmäßig erlangte Beweise nicht systematisch aus dem Verfahren ausgeschlossen werden müssen und sogar zugelassen werden können, wenn, es erstens für die Ausübung des Beweisrechts unerlässlich ist und zweitens, wenn der Eingriff in das Privatleben des Arbeitnehmers durch diese unrechtmäßigen Aufnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel steht, d. h. zur Feststellung einer unerlaubten Handlung.


Am 22. Dezember 2023 befasste sich die Plenarversammlung mit einem zivilrechtlichen (hier arbeitsgerichtlichen) Fall (Nr. 20-20.648), in dem ein Arbeitnehmer wegen unerlaubter Handlung auf der Grundlage einer Tonaufnahme entlassen wurde, die ohne sein Wissen während eines Vorstellungsgesprächs gemacht worden war und in deren Verlauf der Arbeitnehmer Äußerungen gemacht hatte, die die Entscheidung des Arbeitgebers rechtfertigten. Der Arbeitnehmer hatte seine Entlassung vor dem Arbeitsgericht wegen der Rechtswidrigkeit des verwendeten Beweismittels angefochten und in der Berufung Recht bekommen. Das Oberste Gericht änderte damit seine Rechtsprechung und entschied, dass Beweismittel (in diesem Fall Tonaufnahmen) nicht allein mit der Begründung, dass sie auf unfaire Weise erlangt worden waren, unberücksichtigt bleiben dürfen. Laut Kassationsgericht musste der Richter auch prüfen, ob sie für die Ausübung der Rechte des Einzelnen unerlässlich waren und ob der Eingriff in die Privatsphäre der Person (in diesem Fall des Arbeitnehmers) nicht unverhältnismäßig war.


In der Praxis hob der Gerichtshof das Berufungsurteil auf und forderte damit das vorlegende Gericht und künftige Gerichte auf, diese Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit vorzunehmen, bevor sie über die Zulässigkeit oder Abweisung illegaler Registrierungen entscheiden.

 

Am 17. Januar 2024 bestätigte der Kassationshof in einem Arbeitsgerichtsverfahren die Entscheidung des Berufungsgerichts, das eine illegale Aufnahme abgelehnt hatte, mit der Begründung, dass sie für den Nachweis von Mobbing nicht unerlässlich sei, da Mobbingfälle auch mit anderen zulässigen Mitteln nachgewiesen werden könnten.


Diese Entscheidungen betreffen fast alle Audio- oder Videoaufnahmen, die ohne das Wissen der Betroffenen, in der Regel Arbeitnehmer in Entlassungsfällen, auf unlautere Weise aufgezeichnet wurden. Sie sind ein praktisches und hilfreiches Beispiel dafür, dass eine Reihe von Urteilen in den vergangenen Jahren im Bereich der personenbezogenen Daten und des Anspruchs auf das Persönlichkeitsrecht eine pragmatische Haltung eingenommen haben, indem sie die Zulässigkeit illegaler Beweismittel unter diesen restriktiven Bedingungen in Erwägung zogen.


2. Urteil vom 14. Februar 2024: Bestätigung der Kehrtwende, anlässlich von Bandaufnahmen von Videoüberwachungsbildern.

Im letzten Fall vom 14. Februar 2024 (Nr. 22-23.073) war einerseits eine Apothekenangestellte aufgrund von Aufnahmen aus einer Videoüberwachung der Räumlichkeiten wegen schweren Fehlverhaltens (Diebstahl) entlassen worden; andererseits war die Videoüberwachungsanlage jedoch vom Arbeitgeber ohne vorherige Anhörung des ASR oder Information der Arbeitnehmer installiert worden und somit als rechtswidrig erklärt (es sei daran erinnert, dass die Zustimmung der Arbeitnehmer – abgesehen von einigen Ausnahmen – für die Videoüberwachung in Unternehmen nicht erforderlich ist, wenn diese den Schutz von Personen und Gütern zum Ziel hat).

 

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass der Beweis für die angebliche Straftat zu Unrecht erlangt worden war, und klagte daher gegen ihre Entlassung. Die Arbeitnehmerin beanstandete die Zulässigkeit dieser Aufzeichnung und damit ihre Entlassung aus mehreren, auf den ersten Blick legitimen Gründen:

  • Im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber bei der Errichtung eines Videoüberwachungssystems (i) die zuständigen Personalvertretungen einbinden und (ii) die Arbeitnehmer informieren, insbesondere über den Zweck der Überwachung, was im Allgemeinen bedeutet, dass die Sicherheit von Personen und Gütern gewährleistet sein muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein anderer Zweck vorgesehen ist, wie z.B. die Überwachung von Arbeitnehmern, ein Ziel, das nur selten rechtmäßig ist.​
  • Die vom Arbeitgeber übermittelten Informationen beinhalteten keinerlei Hinweise darauf, dass die Aktivitäten der Arbeitnehmer überwacht werden sollten.
  • Die Videoaufnahmen waren für den Nachweis der vermeintlichen Straftaten nicht unabdingbar, da auch andere Mittel geeignet gewesen wären.

 

Was Vorrang haben sollte: Die Verletzung der Privatsphäre (und des Ansehens) des Arbeitnehmers aufgrund einer illegalen Aufnahme oder die Wirksamkeit und das Interesse an Beweismitteln, um einen Fehler zu charakterisieren, der dem Unternehmen ernsthaft schadet?

 

Das Gericht stellte fest, dass das Berufungsgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen dem Recht der Arbeitnehmerin auf Wahrung ihrer Privatsphäre und dem Recht des Arbeitgebers, eine Störung des ordnungsgemäßen Betriebsablaufs zu begründen, durchgeführt hatte. In diesem Sinne hatte das Berufungsgericht korrekt entschieden, dass das Videomaterial für den Nachweis der vorgebrachten Handlungen unerlässlich war, ohne dass seine Herausgabe einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmerin verursachte.

 

Diese Entscheidung stellt eine Kehrtwende gegenüber der klassischen Einstellung der Zivilgerichte dar, die rechtswidrig erworbene Beweismittel zurückweisen. Aus der jüngsten Rechtsprechung geht hervor, dass die Gerichte nunmehr eine Verhältnismäßigkeits- und Bedarfsprüfung durchführen müssen, um festzustellen, ob das fundamentale Recht eines jeden auf dessen eigene Persönlichkeit und dessen Stimme oder das grundlegende Menschenrecht darauf, Beweise für seine Behauptungen zu erbringen, Vorrang haben muss, wenn sie im Konflikt zueinander stehen. Diese Haltung stützt sich auf Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 9 der Zivilprozessordnung, die die Bedeutung von Beweismitteln für den Einzelnen begründen, selbst wenn diese Beweise scheinbar auf unfaire Weise erlangt wurden.

 

Diese Entwicklung stellt außerdem eine interessante Differenzierung zwischen dem grundlegenden Schutz der Privatsphäre eines jeden Einzelnen als symbolisches persönliches Merkmal dar, das kaum Abweichungen zuließ, und der Bekräftigung eines Rechts zur Beweisführung, das möglicherweise Vorrang vor dem Schutz eines solchen Merkmals hat.

 

Das Persönlichkeitsrecht ist sehr vielfältig, angefangen bei den Bedingungen, unter denen Bildaufnahmen mit oder ohne Genehmigung der Personen vorgenommen werden, bis hin zu den zahlreichen kommerziellen oder nichtkommerziellen, legitimen oder nichtlegitimen, begrenzten oder erweiterten Verwendungsmöglichkeiten solcher Bildaufnahmen, insbesondere am Arbeitsplatz im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Kanzlei Rödl & Partner unterstützt Sie bei der Organisation und Abfassung der notwendigen Schriftstücke, um eine rechtmäßige Nutzung dieser personenbezogenen Daten zu gewährleisten.

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Frédéric Bourguet

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